10.02.22

Sitten und Gebräuche auf Amrum

Das frühere Leben der Bevölkerung auf der Insel Amrum hatte eine Vielzahl von Sitten und Gebräuchen. Diese bezogen sich vor allem auf das familiäre Leben und dem kirchlichen Glauben. Kleidung und der Ablauf von Feiern zu Festen wie Geburt, Taufe, Hochzeit und Konfirmation unterlagen festen Regeln bezüglich des Besuches der Kirche, der Kleidung und der Gestaltung des jeweiligen Festes. Nun kann man einen Todesfall nicht als Fest im üblichen Sinne bezeichnen, jedoch auch hierbei gab es fest verwurzelte Abläufe. Im Laufe der Zeit wurden diese Regeln jedoch mehr und mehr vernachlässigt. Inzwischen haben sich familiäre und kirchliche Feierlichkeiten dem allgemein üblichen Vorgehen angepasst. Lediglich das Tragen der Friesentracht bei Konfirmationen auf Amrum ist immer noch üblich.

Bis in die Gegenwart haben sich das Hulken und Biaken erhalten können. Die Wahrscheinlichkeit, dass das so bleiben wird liegt nahe, ist doch mit diesen Bräuchen ein spaßiges und fröhliches Treiben auf der Insel Amrum verbunden.

Am Silvesterabend verkleiden sich bei Einsetzen der Abenddämmerung zunächst die Kinder und ziehen von Tür zu Tür. Wird ihnen geöffnet, wünschen sie ein gesegnetes Neues Jahr und halten ihre mitgebrachten Taschen zum Empfang von allerlei Naschereien bereit, bevor sie weiterziehen. Am späten Abend bis gegen Mitternacht folgen die Jugendlichen und Erwachsenen ihrem Beispiel. Mit fantasievollen Masken und Verkleidungen, einem amüsanten Gesang oder gar einer Karikatur in Bezug auf die während des vergangenen Jahres stattgehabten Ereignisse auf Amrum wandern auch sie über die Insel und überbringen gute Wünsche. Oft ist die Verkleidung so gelungen, dass sie unerkannt weiterziehen können, wenn der gute Wunsch zum neuen Jahr vom Empfänger der Botschaft mit einem Schnaps belohnt wurde.

Ein weiteres Brauchtum, das bis heute Bestand hat ist das Biaken, das seinen Ursprung in der heidnischen Zeit hat.  Ursprünglich war das Biaken Wotan geweiht. Alle Besucher des als Feuerzeichen gedeuteten Biakens, auch Bake genannt,  tanzten um das Feuer und riefen lauthals: „Wodke täre“, was so viel hieß wie „Wotan zehre“!

Nach der Christianisierung gelang es den Priestern trotz zahlreicher Versuche nicht, diesen Brauch auszurotten. Letztendlich wurde das Biaken am Abend des 21. Februar mit der christlichen Petri Stuhlfeier am 22. Februar verbunden, jedoch blieb der heidnische Brauch bis ins 17. Jahrhundert bestehen.

Als Abschiedsfest für Seefahrer die am nächsten Tag mit ihren Schmackschiffen die heimatliche Insel verließen um beim Walfang ihr Glück zu versuchen oder die Handelsseefahrt zu betreiben, wurde das Biaken im Verlauf des 17. und während des 18. Jahrhunderts gefeiert.

Häufig wurde seinerzeit mit dem Biaken ein Thing, so eine Art Gericht, verbunden, es wurden Streitfragen geklärt oder neue Verordnungen bekannt gegeben. Mit dem heutigen Biaken ist ebenfalls ein Abschied verbunden, nämlich dem des scheidenden Winters.

Allerdings ist es nun eher ein Fest für die Kinder der Insel geworden. Bereits ab Januar werden brennbare Materialen eifrig gesammelt und ein Wettkampf der einzelnen Gemeinden und Inseln in Nordfriesland um das größte und weithin sichtbarste Feuer entsteht. Nach Eintreten der Finsternis wird das Feuer entzündet und die Kinder machen sich mit rußgeschwärzten Gesichtern auf zu lustigen Streichen und Scherzen.

Aber auch viele Erwachsene genießen das flackernde Licht des Feuerscheins, einige haben den Kindern eine „Piarder“ – eine Stoff- und Strohpuppe mit Kleidung aus hässlichen Lumpen – gebastelt, die das Böse symbolisieren soll und als Fackel ins Feuer geworfen wird.